Recap: Present Your with Niklas Lassen & Matthias Osing

Martin Lager • 25. April 2023

Niklas Lassen und Matthias Osing referierten am 21.02.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „Kein/e Anwält:in benötigt: Vertragsgeneratoren als Motor der Innovation“. 

 

Inhalt des Vortrags: Durch eine Reihe von Entscheidungen im Bereich Legal Tech sorgte der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren für eine voranschreitende Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes und somit für zunehmenden Unmut in der Anwaltschaft.

Niklas Lassen und Matthias Osing erläuterten in diesem Vortrag, wie der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen reagierte und welche Möglichkeiten sich daraus für eine mögliche Selbstständigkeit von Wirtschaftsjurist:innen ergeben. Die beiden Gründer berichteten aus eigener Erfahrung über die Funktionsweise ihrer Vertragsgeneratoren sowie von Chancen und Stolpersteinen der frühen Phase der Selbstständigkeit.


VWJ: Die selbstständige Rechtsberatung ist gemäß den Regularien des Rechtsdienstleistungsgesetzes bisher der Anwaltschaft vorbehalten. Verstößt das Geschäftsmodell eures Start-Ups KoRecht, nämlich die Erstellung von Vertragsmustern, nicht dagegen? 


Niklas Lassen & Matthias Osing: „Das Rechtsdienstleistungsgesetz dient dazu, rechtssuchende Personen und unsere Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. In diesem Rahmen wird auch geregelt, wer unter welchen Voraussetzungen Rechtsdienstleistungen erbringen darf. Das RDG funktioniert dabei so, dass es grundsätzlich verboten ist eine Rechtsdienstleistung zu erbringen, es sei denn das RDG erlaubt es ausdrücklich. Eine solche erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung i. S. d. RDG ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
Die Erstellung von Vertragsmustern für einzelne Kund:innen stellt auch in der Tat eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung dar. Die Tatsache, dass ein automatisierter Vertragsgenerator jedoch nicht ein Vertragsmuster für ein:e Kund:in erstellt, sondern von einer Vielzahl von Verträgen für verschiedene Kund:innen sorgt dafür, dass keine juristische Prüfung des konkreten Einzelfalls erforderlich ist. Dieser Auffassung folgte im Jahr 2021 auch der BGH und entschied, dass das Anbieten von Online-Vertragsgeneratoren keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung i. S. d. RDG darstellt und somit auch keiner speziellen Erlaubnis bedarf.

Dieser Rechtsprechung folgend verstößt das Geschäftsmodell von KoRecht nicht gegen die Regularien des Rechtsdienstleistungsgesetzes.“



VWJ: Werden wir in Zukunft ausschließlich von Vertragsgeneratoren generierte Verträge sehen?


Niklas Lassen & Matthias Osing: „Die Anzahl von automatisch generierten Verträgen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen und wird auch in Zukunft noch weiter ansteigen. Das liegt ganz einfach daran, dass Vertragsgeneratoren ideal dafür sind, häufig auftretende bzw. wiederkehrende Sachverhalte abzudecken und zu automatisieren.

Bei der Erstellung eines Vertragsgenerators müssen jedoch sämtliche durch das Tool abdeckbaren Sachverhalte einprogrammiert werden. Da man im Vorhinein unmöglich alle erdenklichen Sachverhalte mit einbeziehen kann, gelangt man hier an ganz logische Grenzen, die ohne menschliches nachjustieren nicht überschreitbar sind. Inwieweit Künstliche Intelligenz hier in Zukunft eine Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten. Wir beobachten diesen Bereich doch mit viel Spannung und Vorfreude.

Es ist also eher unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zukunft Verträge ausschließlich durch automatisierte Vertragsgeneratoren erstellt werden. Die Anzahl an automatisch erstellten Verträgen wird jedoch mit Sicherheit stark zunehmen.“ 



VWJ: Aus eurer Erfahrung als Unternehmensgründer, welche Perspektive seht ihr für Wirtschaftsjuristinnen und -juristen auf dem Weg in die Selbstständigkeit? ?


Niklas Lassen & Matthias Osing: „Man muss zunächst einmal festhalten, dass wir Wirtschaftsjurist:innen durch unser Studium recht breit aufgestellt sind. Neben juristischem Fachwissen werden auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse gelehrt, die sich im Verlauf der Selbstständigkeit stets als sehr nützlich erweisen. Des Weiteren nimmt die Entwicklung im Bereich Legal Tech immer mehr Fahrt auf und wird auch entsprechend vom Gesetzgeber unterstützt.
Diese beiden Aspekte sind die idealen Grundvoraussetzungen für eine Selbstständigkeit im Bereich Legal Tech.

Falls es an einer eigenen Geschäftsidee fehlt, besteht auch die Möglichkeit, sich als Co-Founder:in an anderen Start-Up-Projekten zu beteiligen. In Gesprächen mit anderen Gründer:innen wird uns gegenüber immer wieder betont, wie viel Zeit und Energie Gründer:innen zur Lösung betriebswirtschaftlicher oder juristischer Probleme aufwenden müssen, die sie andernfalls in ihr Projekt investieren könnten und wie gern sie in diesen Bereichen auf die Unterstützung einer:s Co-Founder:in zurückgreifen können würden.

Generell möchten wir dazu ermuntern, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Selbst wenn das Projekt Selbstständigkeit scheitern sollte, die gesammelten Erfahrungen kann einem niemand nehmen und sofern man sein eigenes finanzielles Risiko minimiert, gibt es auch nicht viel zu verlieren.“



Mehr zu den Personen:

Niklas Lassen und Matthias Osing sind Wirtschaftsjuristen und zwei der Gründer und Geschäftsführer des jungen Legal Tech Start-Ups KoRecht. KoRecht ist ein Anbieter von Onlinevertragsgeneratoren zur Erstellung individualisierter Vertragsmuster.


von Dominik Meinshausen 3. November 2025
Bayerns Reformvorstoß zur Rechtsberatung durch Versicherungen – Chance für Wirtschaftsjuristinnen und -juristen. Der Freistaat Bayern hat einen Vorstoß zur Reform des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) eingebracht, der darauf abzielt, Rechtsschutzversicherern künftig die außergerichtliche Rechtsberatung ihrer Kunden zu ermöglichen. Dieser Vorschlag soll auf der nächsten Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) diskutiert werden und hat bereits im Vorfeld kontroverse Reaktionen ausgelöst. Ziel der Initiative ist es, die (berufs-)rechtlichen Rahmenbedingungen so zu verändern, dass Versicherungen nicht nur die Kosten für anwaltliche Leistungen übernehmen, sondern auch selbst beratend tätig werden dürfen. Befürworter argumentieren, dass dies den Zugang zum Recht erleichtern und die Effizienz im Umgang mit rechtlichen Anliegen verbessern könnte. Kritiker hingegen warnen vor einer Aushöhlung des anwaltlichen Beratungsmonopols und sehen die Gefahr von Interessenkonflikten - man denke an § 5 RDG - , insbesondere wenn Versicherer gleichzeitig Beratung und Kostenkontrolle übernehmen. Die Debatte zeigt wieder einmal, dass die Grenze zwischen dem klassischen anwaltlichen Berufsbild und neuen nichtanwaltlichen Rechtsdienstleistern im rechtspolitischen Fluss ist. Für Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen mit einem LL.B. oder LL.M. könnte der bayerische Vorschlag weitreichende Folgen haben. So ergeben sich neue Tätigkeitsfelder und großer Beratungsbedarf in Versicherungen. Bereits jetzt schon sind eine Vielzahl der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen und dementsprechend auch einige VWJ-Mitglieder in Rechtsschutzversicherungen im Rahmen von reinen Inhouse-Tätigkeiten tätig. Die interne Beratung beschränkt sich etwa auf (versicherungs-)vertragsrechtliche, datenschutzrechtliche, arbeitsrechtliche und regulatorische Fragen - ähnlich wie bei Inhouse-Tätigkeiten in anderen Branchen. Wirtschaftsjuristinnen und -juristen dürfen zwar in Unternehmen tätig sein und dort rechtlich beraten, aber nicht im Außenverhältnis gegenüber Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn es sich um eine Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG handelt - genau hier setzt der bayerische Reformvorschlag an. Um den Vorschlag umzusetzen, müsste das RDG so angepasst werden, dass Versicherungen als Rechtsdienstleister zur Rechtsberatung gegenüber Rechtssuchenden befugt wären. Rechtsschutzversicherer könnten in den Kreis der registrierungspflichtigen Rechtsdienstleister des § 10 RDG aufgenommen werden. Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen könnten dann nicht nur intern, sondern zumindest indirekt auch extern, kundengerichtet rechtsberatend tätig sein beispielsweise bei der Erstberatung im Schadensfall oder bei der Einschätzung der rechtlichen Erfolgsaussichten. Die VWJ befürwortet die Initiative, da diese die Attraktivität des LL.B./LL.M.-Studiums erhöht, für unsere Berufsgruppe neue Tätigkeitsfelder eröffnet in denen die wirtschaftsjuristische Expertise eingesetzt und dadurch der Zugang zum Recht für Verbraucherinnen und Verbraucher weiter erleichtert werden kann.
von Martin Lager 8. November 2024
Gemeinsame Presseerklärung vom Deutschen Anwaltverein (DAV), der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dem Deutschen Richterbund (DRB), dem Deutschen Juristinnenbund (djb), dem Deutschen Juristentag (djt), der Neuen Richtervereinigung (NRV), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen (VWJ). Den Rechtsstaat auch in der Krise bewahren: Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärken Berlin. Nach dem Bruch der Ampelkoalition werden auch zahlreiche rechtspolitische Vorhaben nicht mehr umgesetzt. Die geplante Grundgesetzänderung zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts ist aber von so herausragender Bedeutung für den Rechtsstaat, dass alle demokratischen Parteien sich dafür einsetzen müssen, die Reform noch vor den angestrebten Neuwahlen zu beschließen. Die Verbände fordern, das in erster Lesung bereits konsentierte und überparteiliche Projekt jetzt zügig abzuschließen. Den demokratischen Parteien im Bundestag ist es gelungen, gemeinsam ein gutes Konzept zur Stärkung des Bundesverfassungsgerichts vorzulegen. Jetzt gilt es, die erarbeiteten Gesetzesentwürfe zur besseren Absicherung des Gerichts schnellstmöglich zu verabschieden. Das gehört zu den vordringlichsten Aufgaben bis zum Jahresende. Es darf nicht sein, dass das Erreichte wegen des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode doch noch scheitert. Es wäre unverantwortlich, wenn ein besserer Schutz des Karlsruher Gerichts vor gezielten Eingriffen oder Blockaden am parteipolitischen Streit über die Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Ampel scheitern würde. Wir appellieren daher dringend an alle demokratischen Fraktionen im Bundestag: Beschließen Sie jetzt die notwendigen Änderungen des Grundgesetzes, um das Bundesverfassungsgericht als Bollwerk der Demokratie zu stärken.
von Martin Lager 7. Juli 2024
Nathalia Schomerus referierte am 27.02.2024 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „ Mit Vertragsklauseln chatten: Was kann generative KI im Rechtsbereich? “. Inhalt des Vortrags: Was meint eigentlich „semantische Suche“, „Vektorisierung“, „Annotierung“, „RAG“ oder „Halluzination“? Wie kann uns das bei der juristischen Arbeit unterstützen? Welche Entwicklungen sind schon abzusehen, welche eher nicht? Was sind technische und rechtliche Unwägbarkeiten? Und was haben Bagel und Chihuahuas mit der Zukunft des Rechtsmarktes zu tun? Diese und mehr Fragen wurden im Vortrag beantwortet.
von Laura Herr 5. Februar 2023
Am Freitag, den 03.02.2023, fand unsere erste Präsenzveranstaltung des Jahres 2023 statt: der VWJ x TQG Legal Tech Dialog . Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner der The Quality Group GmbH konnten wir einen zertifizierten Workshop in Berlin ausrichten. Neun Mitglieder folgten der Einladung, wobei es besonders schön war, neue und bereits bekannte Gesichter auch vor Ort zu sehen. Steffen Schaar (Mitglied der Geschäftsführung der TQG) und Samuel Marcius (Customer Engagement Manager & Creative Process Advisor der TQG) nahmen dabei die weite Reise aus Böblingen auf sich, um mit Blick über die Dächer Berlins rund um das Thema Legal Tech – digitales Arbeiten mit Service Workflows zur Effizienzsteigerung im Arbeitsalltag zu referieren. Dabei gingen sie unter anderem auf Potentiale im digitalen Alltag von Organisationen und auf die Erarbeitung von nachhaltigen, verbindlichen Mechanismen im Umgang mit Wissen, Daten, und Dokumenten sowie auf die praktische Erarbeitung von Qualität und Verbindlichkeit in der Ablauforganisation mittels Workflows (BPMN 2.0) ein. Wie der Veranstaltungstitel erahnen lässt, handelte es sich um einen Dialog zwischen den Referenten und den Teilnehmenden. Ganz nach dem Motto „Jeder kann programmieren“ wurde ein Workflow nach den Anforderungen der Teilnehmenden erstellt. Wir danken der TQG für diese hochrelevanten Informationen und dem spannenden Austausch!
von Lucas Zoller 29. Januar 2023
Prof. Dr. Michael Fuhlrott referierte am 26.01.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Vortragsreihe „Present Your …“ mit dem Titel „Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – oder: Stempelst Du schon?“.
von Dominik Meinshausen 31. Dezember 2022
Rückblick auf die VWJ-Geschehnisse des Jahres 2022
von Arne Freese 29. Dezember 2022
Die VWJ thematisiert die Ungleichheit der Nutzungsvoraussetzungen des beA-Postfachs. In diesem Beitrag wird Stellung bezogen und Handlungsbedarf aufgezeigt.
von Martin Lager 4. August 2022
Die VWJ bezieht Stellung zur emotional diskutierten Thematik eines integrierten Bachelors (LL.B.) im Jurastudium. Dabei legen wir unsere Ansicht zu den notwendigen Rahmenbedingungen einer etwaigen Einführung dar und ergänzen die Diskussion um eine neue Perspektive: die der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen.
von Martin Lager 14. Juni 2022
Hintergründe zum Cover & Interview des DiALOG-Magazins mit einigen aktiven Mitgliedern der VWJ
von Alexander Keilbach 5. Juni 2022
Der Beitrag widmet sich dem Berufsfeld der Insolvenzverwaltung aus der Perspektive von Wirtschaftsjuristinnen und -juristen und zeigt auf, warum der Studiengang Wirtschaftsrecht sich hervorragend eignet, um in der Insolvenzverwaltung tätig zu werden.