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Stellungnahme zum integrierten Bachelorabschluss im Studiengang Rechtswissenschaft (Jura)

Martin Lager • Aug. 04, 2022
Stellungnahme zum integrierten LL.B. im Jura-Studium
In den letzten Wochen wurden zahlreiche Artikel, Stellungnahmen und Meinungen zur Thematik des integrierten Bachelorabschlusses (LL.B.) im Studiengang Rechtswissenschaft veröffentlicht und in Teilen emotional diskutiert. Aufgrund der angespannten und teils unsachlichen Diskussionssituation und der durchaus komplexen Thematik haben wir uns nicht hinreißen lassen, akut eine Stellungnahme zu veröffentlichen, die womöglich nur weiter polarisiert hätte und nicht nachhaltig zur Diskussion beigetragen hätte. Nun möchten auch wir - die Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen - sachlich Stellung zu dem integrierten Bachelorabschluss im Studiengang Rechtswissenschaft nehmen.

Grundsätzlich begrüßen wir den integrierten Bachelorabschluss im Studium der Rechtswissenschaft (Jura). Neben der erheblichen Reduzierung des Drucks in der Examenssituation kann so vielen Jura-Studierenden insbesondere nach einer gescheiterten Examensprüfung oder einem vorherigen Studienabbruch noch ein Einstieg in den Arbeitsmarkt mit einer hochwertigen, akademischen Ausbildung gelingen, die zudem mit einem international anerkannten Abschluss endet. Überdies ermöglicht der integrierte LL.B.-Abschluss ein erhöhtes Maß an Flexibilität, so dass selbst ohne erstes Staatsexamen Aufbaustudien in verwandten Fachrichtungen aufgenommen werden können. Allerdings muss ein solcher Weg an praxisnahe Studieninhalte sowie bestimme Voraussetzungen geknüpft sein, beispielsweise eine umfangreiche Bachelorthesis.

Hierbei sehen wir es als Notwendigkeit an, dass der integrierte LL.B.-Abschluss mit anderen LL.B.-Abschlüssen vergleichbar sein muss, mindestens über ein harmonisiertes Punkte-System, wie man es bei den LL.B.s anhand der ECTS-Punkte bereits vorfindet. Neben der zu lösenden Problematik der Vergleichbarkeit hinsichtlich der Kurs-Gewichtung muss zudem ein einheitliches Notensystem oder zumindest eine harmonisierte Umrechnung der juristischen Noten gewährleistet werden. Nur dann kann der notwendige Standard des LL.B. als juristischer Abschluss gewährt werden.

Dabei sehen wir uns als Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen natürlich mit der Frage konfrontiert, inwiefern ein weiterer LL.B.-Studiengang die Lage von Wirtschaftsjuristinnen und-juristen tangiert. Dies ist jedoch maßgeblich von der Gestaltung der LL.B.-Abschlüsse an den Universitäten abhängig. Sollte das Erlangen des Bachelor-Grades an das Absolvieren von nicht-juristischen Modulen geknüpft sein (wie bspw. die integrierten LL.B.s an der Universität Potsdam und der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) sowie der Studiengang Unternehmensjurist/in an der Universität Mannheim dies bereits seit einiger Zeit machen), wären die Absolvierenden durch die etwaige Belegung von Wirtschaftsmodulen zweifelsohne im direkten Wettbewerb mit Wirtschaftsjuristinnen und -juristen. Wenn die Verleihung des LL.B. jedoch ausschließlich das Erbringen von rechtswissenschaftlichen Leistungen zur Vorrausetzung hat (wie bspw. gerade bereits an der Freien Universität Berlin oder der Humboldt Universität zu Berlin), fehlt den Jura-LL.B.-Absolvierenden eben jene Kombination, die das Wirtschaftsrechtsstudium zu einem Erfolg hat werden lassen – die praxisnahe Kombination aus rechtlichem und wirtschaftswissenschaftlichem Verständnis. Dieser Jura-LL.B. würde dann einen individuell wahrzunehmenden Abschluss mitbegründen. 

Unabhängig von der Ausgestaltung befürworten wir die Einführung des integrierten LL.B.s., denn es besteht neben dem insgesamt florierenden Arbeitsmarkt für Wirtschaftsjuristinnen und -juristen insbesondere in Anwaltskanzleien und Notariaten, wo bereits heute Wirtschaftsjuristinnen und -juristen eingesetzt werden, ein Bedarf an „rein“ juristisch gebildeten Arbeitskräften. Daher dürfte der Arbeitsmarkt durchaus Raum für weitere LL.B.-Absolvierenden bieten. Ob und inwieweit Arbeitgeber die verschiedenen LL.B.-Abschlüsse mit oder ohne die zusätzlichen interdisziplinären Vertiefungen dann unterschiedlich bewerten, wird sich zeigen. Wir gehen davon aus, dass sich gerade in wirtschaftsnahen Feldern der reine Jura-LL.B. einer geringeren Beliebtheit erfreuen würde.

Zudem ist auch nicht davon auszugehen, dass die Zahl der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen sinken wird, da die Vorteile der wirtschaftsjuristischen Ausbildung nach wie vor Bestand haben. Auch künftig werden Juristinnen und Juristen nicht nur als Teil der Rechtspflege benötigt, sondern eben auch als Teil der Wirtschaft. Für dieses Berufsziel bietet das Wirtschaftsrechtstudium von Anfang an einen Mehrwert durch einen oftmals besseren Betreuungsschlüssel, praxisnahe und interdisziplinäre Lehre sowie einen international anerkannten Abschluss, der Tätigkeitsoptionen in vielen verschieden Berufsfeldern eröffnet.

An dieser Stelle sollte sich jedoch nochmals vor Augen geführt werden, dass die Einführung eines integrierten LL.B.s das Staatsexamen nicht abschaffen soll. Laut Absolventinnen-Befragung des BRF aus dem Jahr 2020 (Veröffentlichung Juli 2021) hätten sich 95 % der Studierenden auch nach dem Erhalt eines LL.B.s für das erste Staatsexamen angemeldet. Dies zeigt deutlich, dass ein integrierter LL.B. vor Allem eine Auffangfunktion erfüllen kann.

Sollte man sich für den LL.B. als eine interdisziplinäre Lösung entscheiden, könnte ein Teil der Erfolgsgründe der wirtschaftsrechtlichen Studiengänge in das Jurastudium übernommen werden. 
Wir würden es daher begrüßen, wenn sich das Jurastudium weiterentwickelt und Studieninhalte anbietet, die zwar für das Bestehen des ersten und zweiten Staatexamens nicht entscheidend, aber dennoch von hoher Praxistauglichkeit sind, insbesondere an der Schnittstelle von betriebswirtschaftlichen und juristischen Qualifikationen.

Wirtschaftsrechtliche Studiengänge, die einen Bachelor of Laws (LL.B.)- oder einen Master of Laws (LL.M.)-Abschluss zum Ziel haben, sind seit ihrer Einführung Anfang der 90er Jahre eine Erfolgsgeschichte und haben die juristische Ausbildungslandschaft dauerhaft verändert. So entstand eine alternative akademische juristische Ausbildungsform, die in ihren Ausgestaltungen weit flexibler, praxisnäher und dynamischer ist als das klassische Jurastudium. Zudem sind die inhaltlich diversen Studienangebote stärker auf die Anforderungen der Wirtschaft zugeschnitten. Entscheidungsträger von Hochschulen konnten bei der Konzeption dieser Studiengänge aktuelle Themen der Wirtschaft und der Wissenschaft verknüpfen und diese regelmäßig entsprechend den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes anpassen. Der Fokus liegt dabei auf betrieblichen Sachverhalten mit einem hohen Anteil an Rechtsproblemen, da rechtliche und ökonomische Fragen in der Unternehmenspraxis häufig nicht trennbar sind. Heute sind viele LL.B. und LL.M.-Alumni bei Großkonzernen, mittelständischen Unternehmen und Startups aber auch bei zahlreichen Verbänden sowie Kanzleien im Einsatz, was auf ein sehr hohes Ansehen der LL.B.- und LL.M. Studiengänge und ihrer Absolvierenden hindeutet. Die Anerkennung dieser Studiengänge und deren Alumni beruht vermutlich nicht auf deren Abschluss, sondern vielmehr auf deren Praxistauglichkeit. Während Juristinnen und Juristen mit Staatsexamen vor allem prozessual und in Risiko- sowie Problembewusstsein ausgebildet werden, sind Wirtschaftsjuristinnen und -juristen zudem lösungsorientiert ausgebildet und bilden damit eine wichtige Ergänzung.

Die zunächst von den Hochschulen entwickelten wirtschaftsjuristischen Studienangebote wurden später von vielen Universitäten übernommen, worin sich deren inhaltliche Anerkennung ausdrückt. Nun stehen durch die Einführung des integrierten LL.B.s in das Jurastudium viele Universitäten wieder vor einer Reform, die die juristische Ausbildungslandschaft langfristig verändern könnte. 

Im Gegenzug für eine Öffnung des LL.B.-Abschlusses für Studierende der Rechtswissenschaft sollte allerdings eine Öffnung des Studiums der Rechtswissenschaft bzw. des ersten Staatsexamens für Studierende eines LL.B. Studiums ermöglicht werden.
Wir vertreten die Ansicht, dass hier ein Austausch in beidseitiger Richtung möglich sein muss, um Studierenden nicht Ausbildungswege und damit Berufschancen zu verwehren, die diese erst im Verlauf des Studiums erkennen. Auch hier gilt, dass dies an vergleichbare und harmonisierte Kriterien (z. B. einer erbrachten Anzahl an ECTS) geknüpft sein sollte.

Wir möchten überdies, dass das Studium der Rechtswissenschaft (Jura) grundsätzlich auf seine Aktualität überprüft wird. Das Ziel des ersten und zweiten Staatsexamens hat sich in seiner 153 Jahre alten Geschichte bis heute kaum geändert: Es soll die Befähigung zum Richteramt erlangt werden. Es ist jedoch fraglich, ob dafür ein Studium in dieser Form notwendig ist oder ob nicht ein anderer Studienaufbau besser dafür geeignet wäre. Wie in den letzten Jahren häufig berichtet, fehlen bereits jetzt Richterinnen/Richter, Anwältinnen/Anwälte, Juristinnen und Juristen in vielen Bereichen Deutschlands. Dieser struktureller Fachkräftemangel wird sich in der Zukunft nicht verbessern, sondern voraussichtlich noch verschärfen - auch mit einem integrierten Bachelorabschluss.

Daher fordern wir, dass das aktuelle Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) im Rahmen der Reformierung des Jurastudiums ebenso zur Diskussion gestellt werden muss. Das RDG reguliert den Rechtsberatungsmarkt sehr eingreifend. Durch die Quasi-Monopolisierung der Rechtsberatung zu Gunsten der Rechtsanwaltschaft dürfen Wirtschaftsjuristinnen und -juristen nur äußerst eingeschränkt selbständige, gerichtliche oder außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbringen. Als Hauptargument wird hierfür meist der Verbraucherschutz herangezogen. Der Verbraucher solle vor unqualifiziertem Rechtsrat geschützt werden. Es ist allerdings höchst fraglich, ob dies tatsächlich einer realistischen Befürchtung entspricht. Juristinnen und Juristen mit einem Bachelor of Laws- oder einem Master of Laws-Abschluss sind in den wirtschaftsrechtlichen Gebieten oftmals mindestens gleichwertig zur Erbringung hochwertiger Rechtsberatung qualifiziert wie Juristinnen und Juristen nach Absolvieren des zweiten Staatsexamens. Durch ihre Interdisziplinarität können Wirtschaftsjuristinnen und -juristen Lösungen erarbeiten, die bei juristischen Problemstellungen auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen und so ein eigenständiges Angebot am Rechtsdienstleistungsmarkt erbringen.

Die Öffnung des anwaltlichen Beratungsmonopols würde effektiv dazu beitragen, den angespannten Rechtsmarkt zu entspannen und Rechtssuchenden die Möglichkeit bieten, sich bei der Suche einer geeigneten Rechtsberatung frei zu entscheiden. Unseres Erachtens sollte der Verbraucher nicht bevormundet werden, sondern sollte es ihm selbst überlassen sein, zu entscheiden, welche Rechtsberatung er in Anspruch nehmen möchte. Zudem entsteht durch die Öffnung des Marktes sowie der Forcierung des Wettbewerbs erhebliches Innovations- und Effizienzsteigerungspotential. Die grundsätzliche Monopolisierung der Rechtsberatung ist nach unserer Auffassung daher nicht verhältnismäßig. Die VWJ wird sich daher für eine außergerichtliche Rechtsdienstleistungsbefugnis von Wirtschaftsjuristinnen und -juristen auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts einsetzen.

Unabhängig von der Diskussion um den integrierten Bachelorabschluss im Jurastudium gilt jedoch nach wie vor: Abschlüsse allein haben noch nie gute Juristinnen und Juristen ausgezeichnet – es kommt immer auf die jeweiligen Studieninhalte und Praxiserfahrungen an. 

Auch deshalb möchten wir weiterhin als Vereinigung der Wirtschaftsjuristinnen und -juristen dazu beitragen, die Probleme der heutigen Zeit anzugehen und an Lösungsvorschlägen mitzuwirken. Besonders in Fragen der Berufspolitik der Juristinnen und -juristen sehen wir großen Handlungsbedarf, um unser Land und unsere Gesellschaft auf die Herausforderung des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. 

Auf eine sachliche Diskussion um die besten Argumente!

Eure VWJ

Nachtrag:
Aufbauend auf dieser Stellungnahme hat die VWJ die Möglichkeit ergriffen, sich im Rahmen eines Artikels in der FAZ Gedanken zum Jura-LL.B. zu machen. Wir wollen darin das in weiten Teilen positiv aufgenommene Vorhaben eines Jura-LL.B. weiterdenken und den Diskurs auf die inhaltliche Ausgestaltung lenken. Im Zuge dessen wird deutlich, dass der Reformbedarf der juristischen Ausbildung nicht auf das Einführen eines LL.B.s beschränkt ist. Vielmehr gibt das konsequente Weiterdenken erneut Anlass, sich neben den erforderlichen Bedingungen des Jura-LL.B.s mit aktuellen Fragestellungen rund um die Zulassung zum Staatsexamen sowie die Regulierung des Rechtsmarktes in Deutschland zu befassen.
von Martin Lager 25 Apr., 2023
Niklas Lassen und Matthias Osing referierten am 21.02.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Present Your-Vortragsreihe mit dem Titel „ Kein/e Anwält:in benötigt: Vertragsgeneratoren als Motor der Innovation “. Inhalt des Vortrags: Durch eine Reihe von Entscheidungen im Bereich Legal Tech sorgte der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren für eine voranschreitende Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes und somit für zunehmenden Unmut in der Anwaltschaft. Niklas Lassen und Matthias Osing erläuterten in diesem Vortrag, wie der Gesetzgeber auf diese Entscheidungen reagierte und welche Möglichkeiten sich daraus für eine mögliche Selbstständigkeit von Wirtschaftsjurist:innen ergeben. Die beiden Gründer berichteten aus eigener Erfahrung über die Funktionsweise ihrer Vertragsgeneratoren sowie von Chancen und Stolpersteinen der frühen Phase der Selbstständigkeit.
von Laura Herr 05 Feb., 2023
Am Freitag, den 03.02.2023, fand unsere erste Präsenzveranstaltung des Jahres 2023 statt: der VWJ x TQG Legal Tech Dialog . Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner der The Quality Group GmbH konnten wir einen zertifizierten Workshop in Berlin ausrichten. Neun Mitglieder folgten der Einladung, wobei es besonders schön war, neue und bereits bekannte Gesichter auch vor Ort zu sehen. Steffen Schaar (Mitglied der Geschäftsführung der TQG) und Samuel Marcius (Customer Engagement Manager & Creative Process Advisor der TQG) nahmen dabei die weite Reise aus Böblingen auf sich, um mit Blick über die Dächer Berlins rund um das Thema Legal Tech – digitales Arbeiten mit Service Workflows zur Effizienzsteigerung im Arbeitsalltag zu referieren. Dabei gingen sie unter anderem auf Potentiale im digitalen Alltag von Organisationen und auf die Erarbeitung von nachhaltigen, verbindlichen Mechanismen im Umgang mit Wissen, Daten, und Dokumenten sowie auf die praktische Erarbeitung von Qualität und Verbindlichkeit in der Ablauforganisation mittels Workflows (BPMN 2.0) ein. Wie der Veranstaltungstitel erahnen lässt, handelte es sich um einen Dialog zwischen den Referenten und den Teilnehmenden. Ganz nach dem Motto „Jeder kann programmieren“ wurde ein Workflow nach den Anforderungen der Teilnehmenden erstellt. Wir danken der TQG für diese hochrelevanten Informationen und dem spannenden Austausch!
von Lucas Zoller 29 Jan., 2023
Prof. Dr. Michael Fuhlrott referierte am 26.01.2023 bei der VWJ im Rahmen der monatlichen Vortragsreihe „Present Your …“ mit dem Titel „Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – oder: Stempelst Du schon?“.
von Dominik Meinshausen 31 Dez., 2022
Rückblick auf die VWJ-Geschehnisse des Jahres 2022
von Arne Freese 29 Dez., 2022
Die VWJ thematisiert die Ungleichheit der Nutzungsvoraussetzungen des beA-Postfachs. In diesem Beitrag wird Stellung bezogen und Handlungsbedarf aufgezeigt.
von Martin Lager 14 Juni, 2022
Hintergründe zum Cover & Interview des DiALOG-Magazins mit einigen aktiven Mitgliedern der VWJ
von Alexander Keilbach 05 Juni, 2022
Der Beitrag widmet sich dem Berufsfeld der Insolvenzverwaltung aus der Perspektive von Wirtschaftsjuristinnen und -juristen und zeigt auf, warum der Studiengang Wirtschaftsrecht sich hervorragend eignet, um in der Insolvenzverwaltung tätig zu werden.
von Tessa Irrgang 20 Feb., 2022
Wirtschaftsrecht - ein Studiengang, aber zu viele Möglichkeiten? Nichts Ganzes und nichts Halbes? Keine umfassende juristische Breitbandausbildung im klassischen Sinne, keine Staatsexamina, ein die Entscheidungsunfreudigkeit der heutigen Jugend förderndes Konstrukt? Die negative Kritik an der Modernisierung der juristischen Ausbildungsmöglichkeiten ist groß. Und doch öffnet genau dieses Studium den Absolventinnen und Absolventen einen Zugang zum Markt, der kaum Grenzen aufweist. Durch gesellschaftsrechtliche und liegenschaftsrechtliche Nischenspezialisierung bereitete mich das Studium nicht nur auf einen sauberen Einstieg in Unternehmen oder Wirtschaftskanzleien vor, sondern bot mir die Möglichkeit, mit tiefgreifendem rechtlichen Verständnis in einen relativ exklusiven Teil des Marktes einzusteigen - ins Notariat - und das, ohne Volljuristin zu sein. Der Notar als Öffentliche Stelle in seiner ganzen Ehrwürdigkeit bleibt in Berlin eine geschützte Position, nur erreichbar über die Befähigung zum Richteramt und eine qualifizierte Weiterbildung zum Anwaltsnotar. Ich muss zugeben, dass ich dieser Tatsache kritisch gegenüberstehe, stellt unsere spezialisierte wirtschaftsjuristische Ausbildung mit Praxisbezug doch in meinen Augen eine ebenso solide Grundlage dar, um indirekt die Wirtschaftswelt mitzugestalten. Doch natürlich, es gibt eben juristische Bereiche, die unser Studium nicht abdeckt, wie das im Notariat so wichtige Erb- und Familienrecht. Ist dies der springende Punkt, weshalb es uns verwehrt bleiben sollte, die Weiterbildung zum Notar oder zur Notarin zu absolvieren? Eine Weiterbildung, die noch einmal eben jene Themenschwerpunkte notarspezifisch aufarbeitet und aus einem neuen Blickwinkel lehrt? Obwohl doch das Metier des Notars eine einzigartige Brücke bildet, zwischen einer staatlichen Institution und der Wirtschaftswelt. Ebenso wie auch der Beruf des Wirtschaftsjuristen eine Brücke schafft zwischen Wirtschaftswelt und dem Rechtswesen. Während ich so über die Parallelen und Diskrepanzen dieser Gegenüberstellung grübele, bleibt mir wohl doch erst einmal nur die Position als qualifizierte Mitarbeiterin im Notariat, um die Wirtschaftswelt indirekt mitgestalten zu können. In den Bereichen des Vertragswesens, der Gründungsprozesse, bei der Begleitung der Gesellschaften im Alltagsgeschäft und natürlich im allumfassenden Immobilienwesen kann ich mein Studium direkt in die Praxis umsetzen, doch immer mit dem Hintergedanken, dass meine Ausbildung so viel mehr Potential schafft. Vielleicht ist es an der Zeit umzudenken und mit moderner Umstrukturierung des Rechtswesens die Exklusivität der Notariate ein Stück weit aufzubrechen und Raum zu geben, für modernes Denken und Anpassung an die junge, aufgeschlossene Nachwuchsgeneration der Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen.
von Virginia Oettler 04 Dez., 2021
Wir haben vor gut zwei Wochen unsere erste Veranstaltung gehabt, in der wir uns und unsere Vision vorstellen wollten. Unsere Aufregung war groß! Wir wussten nicht was auf uns zu kommt, wie viele Teilnehmer die Veranstaltung haben wird oder ob unser Tool ausreichen wird? Als das waren Fragen, die uns im Vorhinein beschäftigt haben. Als es los ging, waren wir überwältigt von den Teilnehmerzahlen und auch von dem Interesse an unserer Vereinigung. Wir haben seit dem jeden Tag mehr Mitglieder, sind in Gesprächen mit möglichen Kooperationspartnern und mit Mitgliedern, die sich im Verein aktiv engagieren möchten. Nächste Woche steht unsere Weihnachtsfeier an, die jedem Mitglied ermöglichen soll seine Gedanken und Ideen mit einzubringen! Die Planung unseres nächsten Events im Januar ist voll im Gange und dazu halten wir euch up-do-date! Wir freuen uns über diese Entwicklung und sind gespannt wohin der Weg mit euch gemeinsam gehen wird! Wir wünschen euch allen eine schöne Adventszeit!
von Dominik Meinshausen 07 Nov., 2021
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass auf dem Markt für Rechtsdienstleistungen Anpassungsbedarf besteht. Umgesetzt wurde dies durch das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, auch „Legal-Tech Gesetz“ genannt. Der Bundestag hat das Gesetz in seiner Sitzung vom 10.06.2021 mit kleineren Modifikationen verabschiedet (Bundestag, Beschl. v. 10.6.2021 – BT-Drs. 19/27673, BT-Drs. 19/30495). Nachdem das Gesetz am 25.06.2021 den Bundesrat passiert hat, tritt es am 01.10.2021 in Kraft. Durch das Gesetz wird das Verbot von Vereinbarungen über Erfolgshonorare für die Anwaltschaft im Inkassobereich teilweise gelockert. Auch wird klarer definiert, was künftig unter eine „Inkassodienstleistung“ fallen soll. Hintergrund Der Rechtsdienstleistungsmarkt wird in Deutschland staatlich reguliert mit nur wenigen Ausnahmen. So beinhaltet das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt mit nur wenigen Erlaubnistatbeständen. Es besteht ein Quasimonopol der Rechtsanwälte bei Rechtsdienstleistungen. Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen sind de lege lata grundsätzlich nicht berechtigt, Rechtsdienstleistungen am Markt anzubieten. In den letzten Jahren ist eine Entwicklung im Rechtsdienstleistungsmarkt zu erkennen, bei der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch Unternehmen sich vermehrt von einem Legal Tech-Unternehmen als Inkassodienstleister vertreten lassen anstatt von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Die Vorteile werden meist im einfachen Zugang zum Recht gesehen, sowie in der Minimierung des Kostenrisikos durch eine Vergütung nur im Erfolgsfall. Hintergrund für das „Legal Tech Gesetz“ ist das BGH-Urteil zu wenigermiete.de (Urteil v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18), das durch die weite Auslegung des Inkassobegriffs des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG zu einem Aufschwung der Legal Tech-Branche führte. Durch das Gesetz wurde der Inkassobegriff nun wieder enger gezogen. Das Gesetz gilt als Reaktion des Gesetzgebers auf die Grundsatzentscheidung des BGH. Ziele Ziel des Gesetzes ist es laut dem Gesetzgeber einen kohärenten Rechtsrahmen für Inkassodienstleistungen zu schaffen. Dabei soll die Transparenz und Verständlichkeit von Geschäftsmodellen im Bereich Legal Tech erhöht werden. Auch sollen Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden, da im bisher geltenden Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) keine verbraucherschützenden Regelungen bestehen hinsichtlich der Inanspruchnahme von Inkassodienstleistungen. So will der Gesetzgeber Widersprüche zwischen dem Inkassorecht im RDG, sowie dem Berufsrecht in der BRAO und dem RVG beseitigen. Inhalte Durch das Gesetz wird es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gestattet, Erfolgshonorare für alle Geldforderungen bis 2.000 EUR mit ihren Mandanten zu vereinbaren und Verfahrenskosten zu übernehmen. Im Bereich der außergerichtlichen Forderungseinziehung werden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte künftig mit Inkassodienstleistern gleichgestellt. Zudem werden die Anforderungen an die Registrierung als Inkassodienstleister erhöht und neue Informationspflichten eingeführt, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. Stellungnahme Die VWJ begrüßt grundsätzlich das Ziel des Gesetzgebers, die Rechtssicherheit zu erhöhen durch eine klarere Abgrenzung zwischen Inkassodienstleistung und anwaltlicher Dienstleistung sowie der Sicherstellung von gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen Anwaltschaft und Legal Tech-Unternehmen. Das Gesetz klärt einige Unklarheiten über die Zulässigkeit dieser Inkassounternehmen auf. Die Anwaltschaft hatte teilweise verlangt den Inkassobegriff noch deutlicher einzuschränken und nur einfache Rechtsdienstleistungen wie Mahntätigkeiten zuzulassen. Der Gesetzgeber ist mit dem Gesetz nicht so weit gegangen. Unserer Erachtens wurde folgerichtig berücksichtigt, dass Legal Tech-Angebote den Zugang zum Recht insbesondere für Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern und dass diese nicht als „Gefahr“ zu betrachten sind. Dem stimmt die VWJ zu. Die Verbraucherrechte werden insbesondere bei geringen Streitwerten gestärkt, deren Anspruchsdurchsetzung mangels Wirtschaftlichkeit meist nicht von der Anwaltschaft übernommen wird. Gleiches gilt auch, wenn sich Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund etwaiger Kostenrisiken gegen die konventionelle Rechtsdurchsetzung entscheiden. Kritisch zu betrachten ist allerdings, dass es der Anwaltschaft durch die Ermöglichung von Erfolgshonoraren, Honorarverzicht sowie die Verfahrenskostenübernahme ermöglicht wird, Legal-Tech Unternehmen im Wettbewerb einfacher entgegenzutreten. Das Gesetz fördert damit die Geschäftsinteressen der Anwaltschaft. Ob dies mit dem Ziel des Verbraucherschutzes, der sich schon aus dem Gesetzestitel ergibt, vereinbaren lässt, erscheint fraglich. Verbraucherinnen und Verbraucher, genauso wie Unternehmenskunden schätzen die Vorteile von Legal Tech-Unternehmen, die meist im effektiven, verständlichen und innovativen Zugang zum Recht gesehen werden. Diese Inkassounternehmen werden nun Schwierigkeiten bei der Registrierung und der Ausübung von Nebentätigkeiten zur klassischen Forderungseinziehung bekommen. Die VWJ setzt sich dafür ein das sogenannte „Anwaltsmonopol“ aufzubrechen, und den Rechtsdienstleistungsmarkt für verschiedene qualifizierte Berufsgruppen, insbesondere für Wirtschaftsjuristinnen und Wirtschaftsjuristen, zu öffnen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Technologie („Legal Tech“), um eine innovative und effiziente Rechtsberatung anbieten zu können. In der mit dem Legal Tech Gesetz zugleich angenommenen Entschließung wird für die kommende Legislaturperiode bereits eine Anpassung angestrebt hinsichtlich der Aufsicht über das Registerverfahren für Inkassodientleister. Die VWJ sieht das Gesetz als nur einen Schritt bei der Reform des Rechtsdienstleistungsmarktes. Daher hat sich die VWJ als Berufsverband das Ziel gesetzt nach Aufbau einer starken Mitgliederbasis die berufsspezifischen Interessen der Mitglieder zu bündeln und Möglichkeiten zur Artikulation und Durchsetzung im legislativen Prozess zu geben.
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